Kirchplatz

Pilgerhorn, Bestattungen und ein Brautportal

Nun hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als zuständige Stelle für die Bodendenkmalpflege erste Ergebnisse der Stadtarchäologie vorgestellt.

Durch die bisherigen archäologischen Arbeiten befinden sich die ursprünglich geplanten Bauarbeiten derzeit in einem Verzug von sieben Wochen. „Durch diese Verzögerungen ist die ursprünglich anvisierte Fertigstellung bis April 2024 unrealistisch. Ein solches Szenario haben wir jedoch von Beginn an in Betracht gezogen und stets offen kommuniziert”, betont Fachdienstleiter Horst Schenkel von der Stadt Beckum.

Der Platz rund um die St. Stephanus-Kirche wurde über mehrere Jahrhunderte von Beckumerinnen und Beckumern als Friedhof genutzt. Dafür sprechen die jüngsten Funde des Teams rund um Grabungsleiter Dr. Joachim Meffert, das seit mehreren Wochen rund um die Propsteikirche Grabungen durchführt.

Gruppenbild an der Grabungsstelle
(v. l. n. r.) Dr. Christian Hofbauer (Stadt Beckum), Dr. Andreas Wunschel (LWL), Dr. Joachim Meffert (Projektbüro Goldschmidt) und Volker Hahne (Stadt Beckum) informieren sich vor Ort über die aktuellen Grabungsergebnisse.

„Es wurden bislang über 60 Bestattungen vornehmlich aus dem 16. bis 18. Jahrhundert gefunden”, berichtet Dr. Joachim Meffert. Weiter gefestigt hat sich auch die Vermutung der Archäologen, dass der Kirchplatz seit dem Mittelalter kontinuierlich genutzt und erweitert wurde. „Das zeigen Fundamente, die unter den Bestattungen lagen und mit der Erweiterung des Friedhofs gestört wurden.” Eine christliche Bestattung folgte damals einem festen Ritual: Die Toten wurden – wie der Kirchenbau auch – in Ost-West-Richtung orientiert, auf sogenannte Toten-Bretter gelegt und dann ohne Sarg bestattet. Andere Bürgerinnen und Bürger der Beckumer Stadtgesellschaft erhielten aber auch höherwertige Holz- oder Steinsärge: Analog zu den mittelalterlichen Gräbern in der Propsteigasse, die im Jahr 2022 entdeckt wurden, wurde ebenfalls ein weiteres Steinkistengrab freigelegt.

„Gleichwohl fanden längst nicht alle Toten auf dem Kirchhof oder in der Kirche ihre letzte Ruhe: Unter anderem Selbstmördern, Hingerichteten, Angehörigen „unehrlicher“ Berufe, Andersgläubigen und Ehebrechern wurde dieses Recht oftmals verweigert”, betont Joachim Meffert. Vielleicht hatte auch eine aufgefundene Bestattung außerhalb der Beckumer Kirchenmauer einen solchen Hintergrund.

Entdeckt hat das Grabungsteam neben verschiedenen Einzelfunden, wie beispielsweise einen großen Grabstein aus dem 15. Jahrhundert, auch ein Fragment eines sogenannten Pilgerhorns. „Derartige tönerne Blashörner werden unter anderem mit Pilgerreisen in Aachen in Verbindung gebracht. Dort wurden sie auf der Prozession mitgeführt und anschließend mit in die Heimat gebracht. Das Objekt datiert in die Zeit des 14. bis 16. Jahrhunderts”, ordnet Dr. Andreas Wunschel von der LWL-Archäologie für Westfalen den Fund ein.

Auf der Nordseite der gotischen Propsteikirche kamen außerdem Reste des ehemaligen Brautportals zum Vorschein. Die Bezeichnung bezieht sich auf den mittelalterlichen Brauch, Ehen vor dem Kirchenportal zu schließen und danach zur Messe einzuziehen. Die bisherigen Funde werden sicher nicht die letzten sein.

 „Über den Umgang mit ganz besonderen Fundstücken ist noch nicht entschieden, die Gebeine aus dem Bereich des ehemaligen Friedhofs werden auf jeden Fall der Kirchengemeinde St. Stephanus zur Umbettung überlassen”, betont Dr. Christian Hofbauer, Fachbereichsleiter der Stadt Beckum.

Weitere Informationen zu den Grabungsergebnissen sind im Kontext der Grabungsarbeiten geplant – das Stadtmuseum wird nach den Sommerferien ein Programm für Kinder anbieten, das den Kleinsten die Aufgaben der Stadtarchäologie erklärt. Nach dem Abschluss der Grabungsarbeiten werden auch Führungen für interessierte Besucherinnen und Besucher angeboten. Zusätzlich plant das Stadtmuseum im Herbst eine Vortragsveranstaltung mit Dr. Joachim Meffert. Die Termine werden noch bekannt gegeben.

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