Die Werse - von der Wasserautobahn zum Auenland
Die Werse, der Beckumer Stadtbach, entsteht östlich des Stadtkerns von Beckum nach dem Zusammenfluss der drei Quellbäche Kollenbach (Hauptquellbach mit der eigentlichen "Wersequelle" am Rande des Kollenbusches in Richtung Vellern), Siechenbach und Lippbach.
Der Werse fließen noch im Stadtgebiet weitere Bäche zu: Rattbach, Specksbach als Zufluss zum Lippbach, Rüenkolk und ein namenloser Wasserlauf vor der Wersemühle. Zudem sind im Stadtgebiet zahlreiche Quellen erwähnt, von denen zum Beispiel der Piepenborn bei Köttings Mühle noch heute besteht.
Stadt an den Bächen
Ursache für diesen Quellen- und Wasserreichtum sind die topographische Lage der Beckumer Berge, in der die Stadt Beckum in einer nach Westen offenen Mulde liegt, sowie der geologische Aufbau mit schräg abfallenden, kluftwasserführenden Kalksteinen und Kalkmergeln. Aufgrund der vielen Quellen und Bäche hat die Stadt Beckum auch ihren Namen (Beke = Bach und hem/heim = Heim, also Heim an den Bächen).
Ferner wurde sie als Teil der Stadtbefestigung (Graben vor der Stadtmauer) umgelegt und genutzt. Dadurch entstand die heutige Form des Werseverlaufs, der sich in einem Bogen um den südöstlichen Stadtkern windet. Dieser Bogen stellt jetzt eine zentrale Grünachse dar, die sich nach Westen mit den Überschwemmungsgebieten der Werse bis zur Wersemühle weiter öffnet.
Ursprünglich verlief die Werse quer durch die südöstliche Innenstadt (etwas vom E-Werk über Ostwall, Oststraße, Südstraße bis Westteich). Dort befand sich offensichtlich eine Furt, die für die Ansiedlung maßgeblich war. Im Laufe der Entwicklung Beckums zur Ackerbürgerstadt, hatte die Werse vielfältige Nutzungen, zum Beispiel als Trinkwasser oder Nutzwasser, für Abwasser, als Stauwasser für Mühlen oder für die Eisgewinnung im Winter.
Innenbereich der Werse
Bereits in den Jahren 1992/1993 gab es in Beckum erste Überlegungen, die Werse im Stadtgebiet aufzuwerten und umzugestalten, nachdem die abwassertechnischen Anforderungen (Verringerung der Einleitung von Schmutzwasser) weitergehend erfüllt waren. In diese Überlegungen flossen auch Anforderungen des Hochwasserschutzes mit ein.
In enger Abstimmung mit dem Wasser- und Bodenverband (WaBoV) Ahlen-Beckum wurde 1995 ein Entwicklungskonzept erstellt. Die Ergebnisse führten zu Anforderungen an die Unterhaltung (WaBoV), an die Umsetzung im Außenbereich (Kreis Warendorf im Rahmen Landschaftsplan Beckum; Ausgleichsmaßnahmen) und an den Innenbereich (Grünanlagen, Stadt Beckum), die in den folgenden Jahren angegangen wurden.
In insgesamt 9 Bauabschnitten wird die Werse seit 2001 naturnah entwickelt und somit auch die Rückhaltung von Niederschlagswasser im Bachsystem verbessert. Die Gesamtkosten werden mit insgesamt ca. 1,4 Mio. € kalkuliert. Die Planung wird von der Flick Ingenieurgemeinschaft aus Ibbenbüren ausgeführt.
Das Projekt "Naturnahe Entwicklung der Werse" wird vom Land NRW mit Fördermitteln in Höhe von 80% bezuschusst. Damit wird der besonderen Bedeutung des Projekts für den Wasserhaushalt, aber auch die Entwicklung der Stadt Beckum Rechnung getragen. Dieser wichtige Bereich des Stadtgebietes wird nachhaltig und zukunftsfähig, unter Berücksichtigung von Mensch, Ökonomie und Ökologie, entwickelt.
Außenbereich der Werse
Nach einem auf den Raum Ahlen - Dolberg - Beckum begrenzten Regenereignis, welches mit Regenmengen von über 100 Litern in zwei Stunden laut Statistik nur alle 250 - 500 Jahre vorkommt, standen vom 3. bis 6. Mai 2001 unter Anderem große Teile der Werseniederung und die Zechensiedlung in Ahlen unter Wasser.
Nach den unmittelbaren Maßnahmen der Hilfe für die Betroffenen vor Ort wurde schnell klar, dass für die Stadt Ahlen insgesamt Maßnahmen des Hochwasserschutzes erforderlich sind. Die Stadt Ahlen selbst hat sehr rasch viele der lokal im Stadtgebiet umzusetzenden Sicherungsmaßnahmen durchgeführt. Es wurde jedoch deutlich, dass für einen nachhaltigen Hochwasserschutz ein übergreifendes Konzept für den gesamten Werse-Oberlauf einschließlich Beckum erforderlich ist.
Konzept
Dieses Konzept wurde 2002 vom Kreis Warendorf in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Umweltamt Münster (heute Bezirksregierung Münster) und den Städten Ahlen und Beckum durch ein beauftragtes Fachbüro erstellt. Untersucht wurde dabei der gesamte Raum Beckum - Ahlen mit einer Fläche von ca. 48 km². Ziel war der Hochwasserschutz der Siedlungslagen Ahlen und Beckum und zugleich die ökologische Verbesserung und naturnahe Entwicklung der Werse von Beckum bis Ahlen.
Auf der Grundlage umfassender wasserwirtschaftlicher und landschaftsökologischer Analysen zeigte sich folgende Situation:
- Für die Siedlungslage Beckum besteht für das "100-jährige Hochwasserereignis" (HQ 100) keine Hochwassergefahr.
- Auch unter Berücksichtigung der "Sofortmaßnahmen" zum Hochwasserschutz im Siedlungsgebiet Ahlen bestehen bei HQ 100 im bebauten Raum der Stadt Ahlen Überflutungsbereiche.
- Die umgesetzten und noch geplanten Sofortmaßnahmen verschärfen die Hochwassergefahr für die Unterlieger. Diese Verschärfung muss durch geeignete Maßnahmen kompensiert werden.
- Eine nachhaltige Entwicklung der Werse, die sowohl die Hochwasserschutzbelange als auch die Anforderungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie berücksichtigt, kann an der Werse zwischen Beckum und Ahlen durch Schaffung naturnaher Rückhalteflächen (mit einem Retentionsvolumen von ca. 350.000 bis 400.000 m³) etabliert werden.
- Dadurch sind lokale Schutzmaßnahmen nur noch im geringen Umfang erforderlich und können hinsichtlich der Auswirkungen auf die Unterlieger kompensiert werden.
Die Planung der Gesamtmaßnahme inklusive der wasserrechtlichen Genehmigung und einer Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgte für den Abschnitt A4b in 2004 und für die weiteren Abschnitte in 2008. Dazu war zum Teil umfangreicher Grunderwerb erforderlich. Die Planung ergab, dass statt der ursprünglich geplanten Reaktivierung der Primäraue eine tiefer liegende Sekundäraue herzustellen sei. Dadurch konnte der Flächenbedarf zugunsten der Landwirtschaft stark reduziert werden. Die neu geschaffene Flussaue wird nun schon bei kleineren Regenereignissen überschwemmt. Dadurch wird die Abflussgeschwindigkeit deutlich verlangsamt und das Wasser zurückgehalten.
Nach einer Initialbegrünung kann sich die neue Werse weitgehend eigenständig und naturnah zu einem Auwald mit Freiflächen entwickeln. Die oberhalb der Aue gelegenen Flächen werden in extensiv genutzte Freiflächen mit einzeln eingestreuten Gehölzen umgewandelt. Die Flächen werden von einer Schafherde beweidet.
Der Werseradweg muss teilweise verlegt werden, er bleibt jedoch Bach begleitend vorhanden, um von dort aus interessante Einblicke in die naturnahe Auenlandschaft zu ermöglichen.
Die Maßnahmen werden zu 80 % vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert. Die restlichen 20 % werden über das städtische Ökokonto refinanziert.